Die Ev.-Luth. Tabor-Kirchgemeinde in Leipzig-Kleinzschocher
Eine evangelische Gemeinde gibt es in Kleinzschocher seit dem Jahr 1544. Ursprünglich war Kleinzschocher ein Dorf unweit von Leipzig. Im Jahr 1891 erfolgte die Eingemeindung des Ortes in die Stadt Leipzig. Doch die damals rasch wachsende Bevölkerungszahl überforderte auch bald die einstige kleine Dorfkirche. So wurde in den Jahren 1902 – 1904 die heutige Taborkirche errichtet, ein neoromanischer Bau und zudem die einzige zweitürmige Kirche Leipzigs.
Es waren jedoch nicht nur die Raumprobleme, die seinerzeit den Anstoß für einen Kirchenneubau gaben: Die heutige Taborkirche wurde als „Trutzburg gegen die kirchen- und lebensfeindlichen Mächte“ der damaligen Zeit geplant und errichtet. Denn mit der Eingemeindung in die Stadt Leipzig und dem Bevölkerungswachstum im Zuge der Industrialisierung um die letzte Jahrhundertwende lag die Tabor-Kirchgemeinde nunmehr im Arbeiter- und Industriegürtel der Großstadt. Die Metall- und Druckindustrie, Gießereien, eine Spinnerei und die Chemieindustrie hatten ganzen Straßenzügen ihren Namen, ihr Erscheinungsbild – wie auch den Geruch gegeben. Denn zur Deckung des einstigen Bedarfs der Industrie an Arbeitskräften war die Mehrzahl der heute noch existenten Mietshäuser entstanden. – Das einstige dörflich-bäuerliche Gepräge war somit fast völlig verschwunden. Hinzu kamen die Auseinandersetzungen mit der Arbeiterbewegung Ende der 20-er und Anfang der 30-er Jahre, späterhin der auch innergemeindlich ausgetragene Kampf zwischen „Deutschen Christen“ und „Bekennender Kirche“ und schließlich der Überlebenskampf in einem dezidiert atheistischen Staat…
Doch bei alledem ist der Ausspruch der Jünger Jesu, wie er uns von ihnen überliefert wird, als sie die Herrlichkeit Jesu auf dem Berg Tabor erlebten, auch der Leitspruch der heutigen Tabor-Kirchgemeinde geblieben: „Hier ist gut sein; hier laßt uns Hütten bauen…“ (Mt. 17 4).
Wenn auch – wie beschrieben – die Ansiedlung von Arbeiterfamilien im letzten Jahrhundert das äußere Erscheinungsbild des heutigen Leipziger Stadtteils Kleinzschocher geprägt hat – das Gemeindeleben wurde durch diese Entwicklung nicht nachhaltig beeinflußt. Für die Schwerpunktsetzung in unserem Gemeindeleben ist vielmehr das Engagement mittelständisch geprägter Familien relevant. Viele Gemeindeglieder aus diesem Bevölkerungsteil sind von ihrer Kindheit an in der Tabor-Kirchgemeinde tief verwurzelt, für sie ist die Gemeinde mit ihren vielen gewachsenen Traditionen, den zahlreichen kirchenmusikalischen Höhepunkten, den Gemeindefesten und gesprächsorientierten Gemeindekreisen eine Heimat geworden.
Dennoch haben die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte auch in der Tabor-Kirchgemeinde ihre Spuren hinterlassen: Die Gemeinde ist kontinuierlich kleiner geworden – heute zählen wir etwa noch 1.200 Gemeindeglieder – und die „Alterspyramide“ steht kopf.
Darum versuchen wir, mit neuen Arbeitsformen der sich verändernden Situation Rechnung zu tragen. Die regionale und ökumenische Zusammenarbeit gewinnt dabei zunehmend an Bedeutung: Seit dem Jahr 2020 leben wir in einem „Schwesterkirchverhältnis“ mit den benachbarten ev.-luth. Kirchgemeinden Lindenau-Plagwitz ,Bethanien in Schleußig, Apostel in Großzschocher und Hoffnungskirche in Knautkleeberg. Die alljährlichen „Kinderbibeltage“ werden gemeinsam mit mehreren Gemeinden im Südwesten Leipzigs verantwortet. Die Ökumenische Sozialstation Leipzig-Südwest wurde bereits im Jahr 1991 von der Tabor-Kirchgemeinde mit begründet. Und regelmäßige gemeinsame Veranstaltungen und Gottesdienste mit der benachbarten katholischen Gemeinde sind ihrerseits zu einer guten Tradition geworden…
Bei alledem sind wir uns aber bewußt, daß unser Gemeindeleben für die Zukunft – neben allen traditionellen Angeboten – zunehmend gesprächs- und familienorientierte Angebote bereithalten muß. Die Gemeinde wird sich – innerlich und äußerlich – weiter öffnen müssen für die Menschen, unter denen sie lebt, damit aus der einstigen „Trutzburg gegen die kirchen- und lebensfeindlichen Mächte“ bzw. dem einstigen „Schutzraum inmitten einer atheistischen Gesellschaft“ eine Kirche werden kann, die ihre frohmachende und befreiende Botschaft gegenüber allen Menschen glaubwürdig bezeugt.